Von Munros, Midges und jeder Menge Schafen

Am 7. Tag unserer Reise erreichten wir die Northern Highlands of Scotland und damit eine Landschaft, die uns deutlich mehr zusagt als das Flachland der letzten Tage. Den Mädels in der zweiten Reihe fiel sofort auf, dass sie die Berge stark an unsere Reise um die Ostsee im letzten Jahr erinnerten. Und tatsächlich ähnelt die Landschaft der Nordfinnlands und Schweden. Aber die Berge hier sind auffallend baumlos. Es gibt auch wenig tiefe Schluchten. Die Täler sind breit und man hat einen weiten Blick über die Heidelandschaft. Ganze Berghänge sind hier mit lila blühendem Heidekraut bedeckt und es grasen Unmengen von Schafen nahezu wild.

Unser erster Stopp ist Knockan Crag, wo wir eine kleine Wanderung auf einem interessanten Lehrpfad unternahmen und dabei lernten, dass Schottland vor mehreren Millionen Jahren ein Teil Nordamerikas war, bevor es sich ablöste und mit dem englischen Teil der Insel kollidierte. 

Hier machten wir auch zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Midges, winzig kleinen, ziemlich fiesen Fliegen, die am Abend, wenn der Wind nachlässt, plötzlich zu tausenden ausschwärmen und sich auf jede freie Hautstelle stürzen, um Blut zu saugen. Da wir schon von diesen kleinen Vampiren gelesen hatten, waren wir sehr vorsichtig und hielten die Bustüren und -fenster nach unserer Wanderung geschlossen. Neben uns auf dem Parkplatz stand allerdings eine Familie, die später ankam und wohl etwas unvorsichtiger war. Sie sind nach kurzer Zeit wieder geflüchtet und bis auf den Fahrer, der die Hände am Lenkrad lassen musste, schlugen alle Mitfahrer wild um sich.

Am nördlichsten Punkt unserer Reise, in Durness, entschieden wir uns dazu 2 Nächte auf dem einzigen vorhandenen Campingplatz zu verbringen. Da die Konkurrenz dort oben so gering war, konnten sich die Betreiber auch leisten kein kostenloses WiFi anzubieten und die Gäste stattdessen ins Pub nebenan zu lotsen. Die Chips und das Bier dort waren sehr lecker, das Internet funktionierte aber trotzdem nicht.

Der Aufenthalt in Durness hat sich aber trotzdem absolut gelohnt. Die weißen Sandstrände waren einfach wunderschön und auch die größten Sanddünen Großbritanniens und die Höhle „Smoo Cave“ waren einen Besuch wert. Und auch über Schafe haben wir etwas gelernt. Direkt neben dem Campingplatz befand sich eine Weide, auf der die frisch von ihren Müttern getrennten Jungschafe gehalten wurden. Die haben den ganzen Tag und vor allem die ganze Nacht ihren Kummer heraus geblökt und wir konnten feststellen, dass jedes Schaf sein ganz eigenes liebliches Stimmchen hat. Vom lauten, hellen Mäh bis zum tiefen Laut, der erschreckend an den Morgen nach einer durchzechten Nacht erinnerte, war alles dabei.

Durness Beach

Hier oben begegneten wir auch zum ersten Mal einer italienischen Wohnmobil-Reisegruppe. Man sollte meinen Camper seien Individualisten, die deshalb auf diese Art reisen, weil sie spontan und ganz für sich alleine bestimmen wollen, wann sie wo sind. Aber es gibt offensichtlich auch Leute, die sich nur in der Karawane in fremde Länder trauen. Bisweilen ist so ein Zug von 15 bis 20 Wohnmobilen aber auch ein echtes Verkehrshindernis. Einige Tage später begegneten wir ihnen nämlich wieder. Und die Straßen im Norden Schottlands werden teilweise nur als Single Track mit Ausweichbuchten ausgeführt. Blöd nur, wenn man für ein entgegen kommendes Wohnmobil an den Rand fährt und dann feststellen muss, dass noch 20 folgen.

Auf unserem Weg zurück Richtung Süden machten wir an einem ganz typischen Ziel für wandernde Schottland-Urlauber Halt, nämlich dem Stac Pollaidh, einem Berg, der zwar nur 612 Meter hoch ist, aber alleine steht und einen tollen Blick auf die Umgebung erlaubt. Die Wanderung gestaltete sich zu Beginn recht ereignislos, wenn man vom obligatorischen „Motzekind“ absieht. Diese Rolle teilen sich unsere Mädels übrigens ganz hervorragend auf. Mal schimpft die eine über die unmenschlichen Anstrengungen, die wir ihnen zumuten, mal die andere. Aber sie schimpfen nie beide gleichzeitig und sind auch leider nie beide gut drauf.

Blick vom Stac Pollaidh

Kurz vor Erreichen des Parkplatzes wurde der Boden aber leider sehr matschig und plötzlich verschluckte der Weg ohne Vorwarnung ein ganzes Bein unserer kürzesten (und bei dieser Wanderung glücklicherweise gut gelaunten) Tochter. Sie steckte auf einmal bis zum Oberschenkel im stinkenden Morast, konnte sich aber selbst wieder befreien. Zum Glück kann man die Dusche im Bus ohne Probleme zur Außendusche umfunktionieren und die Klamotten und der Schuh waren im Bach nebenan schnell wieder ausgewaschen.

Um am nächsten Tag weniger Schritte tun zu müssen und auch nicht von hinterlistigen Wegen aufgefressen zu werden, steuerten wir Eilean Donan Castle an. Es war zwar recht touristisch, aber auch sehr interessant. Und es ist natürlich einfach schön anzusehen, wie diese Burg auf einer kleinen Felseninsel im Meer liegt.

Die bergige Landschaft bleibt uns auch in den nächsten Tagen noch erhalten. Wir werden die Isle of Skye und die Gegend um Fort William erkunden. Und vielleicht ist auch noch eine Besteigung des höchsten Munro (so bezeichnen die Schotten alle Berge über 3000 ft = 914,4 m), des Ben Nevis, drin.